Pensées: Ein Ausflug nach Rothenburg ob der Tauber und Frankfurt

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  1. Wir fahren mit den Kindern nach Deutschland. Für ein verlängertes Wochenende. Zweimal übernachten wir in Frankfurt. Karten für ein Fußballspiel haben wir auch.
  2. Der erste Halt ist Rothenburg ob der Tauber. Ein romantischer Name, eine schöne mittelalterliche Stadt mit Stadtmauer, Fachwerkshäusern und engen Gassen.
  3. Ein Verkehrsschild verbietet die Durchfahrt von Kutschen.
  4. Eine große Kirche steht in der Mitte der Stadt. Dort soll es einen außergewöhnlich schönen Altar geben. Man muss aber Eintritt zahlen und die Kinder murren. Also schauen wir ihn nicht an.
  5. Der Stadtbrunnen ist mit Kränzen aus Ostereiern geschmückt. Obwohl Ostern schon vorbei ist.
  6. Der Bürgermeister von Rothenburg rettete seine Stadt vor der Zerstörung durch General Tilly, weil er über drei Liter Wein auf einmal trank. Das steht auf einem Schild. Warum das möglich war, weiß ich nicht. Das war 1631.
  7. Wäre schön, wenn sich alle politischen Konflikte allein durch Gefährdung der Leber eines Einzelnen lösen ließen.
  8. An jeder Ecke werden Schneebälle verkauft, zu Kugeln geformtes Schmalzgebäck. Aus Mürbteig. Eine sehr lokale Spezialität. Wie in Öl herausgebratene Butter, denke ich, und esse trotzdem einen Schneeball. Der schmeckt gut, das Öl stößt mir aber einige Stunden auf.
  9. Nach dem Mittagessen in einem mittelalterlichen Souterrain mit auf alt lackierter Ikeadecke fahren wir weiter nach Frankfurt.
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  11. Das Hotel finden wir gleich, bleibt noch Zeit für den Römer. Der Kaisersaal ist viel weniger imposant als der goldene Saal in Augsburg.
  12. Die Bilder aller römisch deutschen Kaiser sind ausgestellt. Karl der Große zuerst in einer eigenen, etwas größeren Nische. Die anderen haben jeder eine eigene Nische. Alle Nischen sind besetzt. Sonderbar, denke ich, nachdem man die letzte Nische bemalt hatte, zerfiel das heilig römische Reich.
  13. Mir fällt auf, dass alle Kaiser in Röcken, Kleidern oder Pluderhosen dargestellt sind. Mit Ornat und Krone oder Rüstung. Alle, außer Joseph II. Der trägt einen herkömmlichen Anzug.
  14. Karl der Große und Otto I. tragen die gleichen Schuhe. Ist das ein Zeichen? Ein Zufall? Ein Symbol dafür, dass Otto der eigentliche Begründer des heilig römischen Reichs ist?
  15. Im Hotel google ich nach: Die Bilder wurden erst 1838 in Auftrag gegeben und 1853 fertiggestellt. Also sind gar nicht von so großer historischer Bedeutung, wie ich mir erhofft hatte.
  16. Am nächsten Tag schauen wir uns die Paulskirche an. Dort wurde die erste Verfassung Deutschlands beschlossen.
  17. Die Kirche ist nur noch als Hülle vorhanden. Innen ist ein tonnenförmiges Bild ausgestellt. Es stammt aus dem Jahr 1987. Männer in Anzügen, nackte Männer und Frauen, Schweine, Pferde und ein Sammelsurium anderer Figuren sind dargestellt. Ich verstehe das Bild nicht, auch nicht mit der Erklärung im Schaukasten nebenan. Es sieht aus, wie an George Grosz angelehnt.
  18. Im ersten Stock ist der Plenarsaal. Auch sehr modern. Ein Mann deklamiert laut einen Text. Ich bin nicht sicher, ob er für eine Vorstellung übt, oder einfach so nicht anwesende Lokalpolitiker beschimpft.
  19. In einem Schaukasten im Erdgeschoß ist eine illustrierte Version der deutschen Grundrechte ausgestellt. Ein beleibter Mann ist dort dargestellt, der sich in den Fängen des Reichsadlers befindet. Er wird von einem Priester und einem Soldaten (?) an den Armen gezerrt. Ein Bauer und ein anderer Mann drücken ihm die Beine hinunter.
  20. Auch hier verstehe ich die Ikonographie nicht.
  21. Die Bilder im Römer und in der Paulskirche zeigen, wie viele Dinge ich mir ansehe und mir einen Sinn daraus zusammenreime, den sie gar nicht haben.
  22. Nur vier Stunden Autofahrt von zu Hause entfernt verstehe ich so vieles nicht oder falsch. Oder ich glaube zu verstehen und es ist doch ganz anders und das ich merke nicht einmal, weil ich nicht genauer nachsehe.
  23. Wie das erst in Ländern sein muss, deren Kultur (und Ikonographie) ganz anders ist als unsere.
  24. Als wir von der Paulskirche in Richtung Einkaufsstraße gehen, sehen wir die Commerzbank und die alten Gebäude. Als könnte man die Geschichte sehen.
  25. Aber das ist nur eine weitere Illusion
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Über Karin Koller

Biochemist, Writer, Painter, Mum of Three
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2 Antworten zu Pensées: Ein Ausflug nach Rothenburg ob der Tauber und Frankfurt

  1. dasmanuel schreibt:

    Heimat … interessant wie viele Dinge ich mir noch nicht in Frankfurt angesehen habe, obwohl ich in 10 Minuten mit dem Auto hinfahren kann.

    Das ‚Grundrechte‘-Bild: Der Adler zusammen mit dem gehaltenen Mann ergeben farblich das schwarz-rot-gold, also die Landesfarben. Ich denke, der Bauer und der Handwerker (?) drücken nicht die Beine herab, sondern lehnen an diesen und deshalb meine ich, dass der gesamte Bereich in der Mitte den deutschen Staat / das deutsche Volk repräsentiert, an dem / an denen geistige und weltliche Mächte ‚zerren‘ … Vergeblich, dank der Grundrechte.

    Das ‚Tonnen’bild: Es heißt ‚Der Zug der Volksvertreter‘ und ist von Johannes Grützke. Wenn ich Ausschnitte davon betrachte, habe ich die Auffassung, Herr Grützke hat von diesen (den Volksvertretern) keine hohe Meinung (ich fühle mich an Werke von Deix erinnert). Der Rest in diesem monumental anmutenden Werk ist wohl tatsächlich – mehr oder weniger – Symbolisch zu betrachten / analysieren. Eine Kritik in den Weiten des Netzes passt ganz ordentlich:

    ‚… die volksvertreter geraten zu einem trupp opernpremierenbesucher, peinlich berührt vom nackten leben, entsetzt vom tod, zugleich gelangweilt im stau, aber entschlossen, bis zu ihrer bestimmung, der versammlung, durchzudringen; das nackte leben wiederum juckt sich nicht viel um die herren in gewienerten schuhen, es muß und wird seinem alltag nachgehen …‘

    Wieder mal tolle Pensées, danke!

    • Karin Koller schreibt:

      Danke für das Zitat und auch für das Lob.
      Das habe ich auch schon erlebt, dass ich die Sehenswürdigkeiten in der Nähe nicht angeschaut habe. Und es nach dem Umzug sehr bereute. Ich versuche mich da zu bessern.
      Bei dem „Grundrechtebild“ muss aber auch eine Kritik dahinterstecken, sonst wäre es nicht im Karikaturstil gemacht und der deutsche Staat (Michel?) wäre auch nicht so dümmlich behäbig mit Schlafmütze dargestellt.

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