Diese Woche konsumiert: Stronach und die virtuelle Welt der Medien

Die in letzter Zeit mit Frank Stronach in diversen Medien geführten Interviews haben Martin Blumenau dazu bewogen, eine Kolumne zu schreiben (http://fm4.orf.at/stories/1705397/ ).

Er zeigt darin auf, wie der österreichische Journalismus zu Glatteis-Journalismus verkommt mit einer Mentalität, die nur die Aufdeckung der Schwächen des Interviewten zum Ziel hat, anstatt sich mit Inhalten auseinanderzusetzen. Damit hat er sicher recht.

Die Kulmination dieses Phänomens war für mich das Interview, das Frau Waldner vor einigen Monaten mit Karl-Heinz Grasser geführt hat https://karinkoller.wordpress.com/2012/02/11/diese-woche-konsumiert-boiling-a-frog/. Der sinnlos aggressive Konfrontationskurs drängte den Interviewten geradezu, seine üblichen Verteidigungsmechanismen in Gang zu setzen. Ein uninteressantes, uninformatives Interview mit vorhersehbarem Ausgang war die Folge. Mit einer anderen Interviewtaktik, z. B. wie sie in der Daily Show betrieben wird, könnte man möglicherweise bessere Erfolge erzielen.

Blumenau schrieb aber auch, Frank Stronach „ist damit aktuell der einzige, der in dieses erstarrte Match zwischen Politikern und Journalisten eindringt; mit einer menschlichen Regung und damit als (zufälliger) Anwalt des Publikums.

Ausgerechnet Frank Stronach solche positiven – wenn auch ungewollten – Wirkungen zuzuschreiben, halte ich aus verschiedenen Gründen für problematisch.

Zum einen reagiert Frank Stronach auf jede Frage, die nicht in sein Konzept passt, sei sie auch noch so seriös, ausgewogen und inhaltlich fundiert gestellt, mit Ablehnungshaltung.

Stronach bietet auch eine riesige Angriffsfläche für inhaltliche Kritik:

Sein Programm ist noch weniger kohärent und in sich schlüssig als die ÖVP-Visionen des Herrn Kurz (https://karinkoller.wordpress.com/2012/04/24/diese-woche-konsumiert-die-visionen-der-herrn-kurz/ ).

Seine Beziehungen zu ehemaligen Mitgliedern der schwarz/blau/orangen Regierung (Grasser, Westenthaler und Reichhold), aber auch anderer Parteien (Vranitzky, Andreas Rudas, Waltraut Klasnic und Günter Stummvoll fanden in der einen oder anderen Funktion ein Auskommen bei Stronach), positionieren ihn nicht gerade außerhalb des Sumpfs, den er zu bekämpfen vorgibt.

Sein Anwerben von Politikern aller Couleurs (z. B. Erich Tadler, der aus dem BZÖ ausgeschlossen wurde und nach Medienberichten während der Fußballeuropameisterschaft in Warschau eine Statue mit schwarz/rot/goldenen Farben beschmiert haben soll) deutet nicht gerade auf durchdachte Auswahlverfahren hin.

Seine verschiedenen Aktivitäten, von Fußball bis Rennbahn, derer er nach kurzer Zeit wieder überdrüssig wurde, lassen auch bei seiner Partei fehlende Ausdauer befürchten.

Natürlich sollte hinterfragt werden, wie Stronach sich trotz all dieser Tatsachen als unkorrupte, seriöse Alternative zum Status Quo positionieren will, die tatsächlich Auswege aus der Krise aufzuzeigen vermag.

Das direkte Interview mit Stronach ist jedoch nicht zielführend, wenn er seine Gesprächskultur nicht zu ändern bereit ist. Gleiches gilt für Grasser, Dörfler, Cap, Strache, Kopf etc.

Stattdessen sollten Berichte und Features Löcher in der Argumentationskette, faktische Unstimmigkeiten und andere Ungereimtheiten aufzeigen und Zusammenhänge erklären.

Armin Wolf sagte bei den Medientagen: „In der Demokratie müssen sich Politiker durch Kommunikation legitimieren“ und verteidigte damit das Politikerinterview.

Auch er hat nicht unrecht, aber wenn der Wille zu einer sachlichen Kommunikation nicht einmal angedeutet wird, kann man auch nicht von Legitimation sprechen.

Die von Blumenau und Wolf aufgezeigten Probleme sind im Fall Stronach erst Stufe zwei eines mehrstufigen Problems.

Hauptproblem und auch die Ursache für einen derzeit – wer weiß, ob sich Stronach bis zu den Wahlen noch für Politik interessiert – möglich erscheinenden Erfolg Stronachs ist nicht der hämische Glatteis-Journalismus.

Hauptproblem ist die Plattform, die Stronach von den Medien bekommt, gratis (hoffe ich zumindest, oder hat das etwas zu tun mit den ganzseitigen Inseraten, die Stronach in diversen Zeitungen geschaltet hat?), rund um die Uhr und seit Monaten. Lange bevor es eine Partei „Team Stronach“ gegeben hat, lange bevor man weiß, ob diese Partei überhaupt kandidieren wird oder kann. Welche andere, nicht im Parlament vertretene Partei darf sich einer solchen medialen Aufmerksamkeit erfreuen? Die KPÖ? Das Liberale Forum? Oder wenn wir schon dabei sind: Selbst Josef Bucher würde sich freuen, wenn über seine Partei annähernd so viel berichtet würde. Nur die Piratenpartei war vor ein paar Monaten medial schick, wurde aber schnell von Stronach verdrängt und ist nun mit den andern Kleinparteien wieder in der medialen Bedeutungslosigkeit versunken.

Ob Stronach und seiner Partei dabei von den Journalisten mit Häme begegnet wird, ob versucht wird, ihn aufs Glatteis zu führen oder ob sachlich berichtet wird, spielt für Stronach überhaupt keine Rolle. Derzeit ist für ihn jede Publicity gute Publicity. Allein das Volumen der Berichterstattung gibt der Partei die Legitimation, die sie braucht, um erfolgreich zu sein. Umfragen werden von verschiedenen Medien in Auftrag gegeben. Ergebnisse werden präsentiert, nach denen Team Stronach bei einer Wahl auf Anhieb 10% der Stimmen erreichen würde, oder 40% der Wähler sich eine Regierungsbeteiligung wünschen würden.

Damit wird eine Akzeptanz geschaffen, die ohne diese Berichterstattung nicht möglich gewesen wäre. Für die Medien ist das gut, gerade weil Stronach eine so große Angriffsfläche beim wenig arbeitsintensiven direkten Interview bietet und gleichzeitig eine hohe Publikumswirksamkeit hat. Das bedeutet, Journalisten können mit dem geringstmöglichen Aufwand Sendezeit und Seiten füllen und sich gleichzeitig überlegen fühlen. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Inseraten-Etat, der sicher ist, solange Stronach sein Politengagement weiterführt.

Und da beißt sich nun die Katze in den Schwanz: Die Medien schaffen sich ganz bewusst und zu ihrem Vorteil eine Realität, die ihnen aus verschiedensten Gründen genehm und bequem ist, nur um dann der Öffentlichkeit eine kritische Distanziertheit vorzugaukeln.

Das ist das Problem, alles andere leitet sich davon ab.

Über Karin Koller

Biochemist, Writer, Painter, Mum of Three
Dieser Beitrag wurde unter Diese Woche konsumiert abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

25 Antworten zu Diese Woche konsumiert: Stronach und die virtuelle Welt der Medien

  1. Elke Lahartinger schreibt:

    Wer solche Gegner hat wie Stronach, der braucht gar keine Freunde mehr.

    • Einer der „Titanen“ der österreichischen Journaille, Georg Hoffmann-Ostenhoff (Profil), hat ja letzte Woche auf Twitter bekanntgegeben, dass er Stronach einen großen Wahlerfolg wünscht (um Strache zu schaden, sagt er). Die Medien tun alles, um ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Jeder Fernsehauftritt von Leuten wie Rainer mit Stronach bringt Stronach 10000 Stimmen. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man hinter der Vorgehensweise der Medien in Bezug auf Stronach ja fast eine Strategie vermuten.

  2. SonjaLy schreibt:

    Ich glaube ja, dass Stronach in Wahrheit nicht diese Hinterbänkler auf dem Abstellgleis (Köfer, Tadler und wie sie heissen) gekauft hat, sondern Leute wie Cap, Kopf und Konsorten. Anders ist ja deren Vorgehen in letzter Zeit mit den Gesetzen der Logik nicht zu erklären. Wenn man Caps Auftritte nach dem Prinzip “Cui bono?” untersucht, bleibt als Antwort nur Stronach übrig.

  3. Katharina Löbl schreibt:

    Es wird halt Herrn Stronach so wahnsinnig leicht gemacht, sich als Außenseiter, der gegen das System kämpft, zu präsentieren, weil ihn die Inquisitoren tatsächlich zum Außenseiter machen, in der konkreten Gesprächssituation. Und die Leute, die mehr an truthiness (cpo. Stephen Colbert) als an Fakten interessiert sind, kommen zum Ergebnis, dass er Außenseiter ist, weil er sich wie ein Außenseiter anfühlt.

    • Genau, die Medien (insbesondere der ORF) verwenden eine Taktik, die dem Sheriff´von Nottingham ermöglichen würde, in Interviews die „low information voters“ davon zu überzeugen, dass er in seinem Kampf gegen Robin Hood für die Entrechteten eintritt.

  4. SevRa schreibt:

    Ich glaube, die Diagnose ist richtig: Stronach ist einfach die Sau, die diese Woche durchs Dorf getrieben wird. Das kostet keinen Aufwand, ist gut für die Quote, und wenn der Neuigkeitswert weg ist, sucht man sich das nächste Opfer

  5. Rupert schreibt:

    Lieber Stronach im Arsch als Cap, Kopf und Strache im Gesicht

    • Ich glaub, du bist ein bisserl naiv, wenn, du, um in deiner Diktion zu bleiben, meinst, dass Stronach nicht genauso für den Arsch ist, wie die von dir erwähnten, deren Parteifreunde er ja fröhlich beschäftigt hat, wenn´s ihm gut für sein Geschäft erschien..

      • Karin Koller schreibt:

        Das finde ich auch. All die Medienhäme, die Stronach entgegengebracht wird, lässt beinahe vergessen, dass er aufgrund seiner früheren Verbindungen zur Politik allein schon unwählbar ist.

  6. Robert schreibt:

    Bin schon neugierig, wie Stronach und seine Mannen und Frauen dann, wenn sie im Parlament sind, fleissig Sacharbeit in den Ausschüssen machen. Ich glaube, da wird retrospektiv Patrick Ortlieb noch als engagierter Sachpolitiker in Erinnerung bleiben

  7. Elke Lahartinger schreibt:

    über Facebook: Martin Blumenau:

    über dich hier an die autorin: gehe in so gut wie allem völlig konform mit dir. vor allem mit der heraushebung der inhaltichen angriffsfläche. dass sich just an stronach (und nicht an diversen kleinparteien) diskussionen entfachen, hat, denke ich, mit seiner greifbarkeit und seinen bereits existenten öffentlichewn image zu tun.
    was mir wirklich nicht taugt ist aber dass du die einzige passage meines texts, die man aus dem zusammenhang gerissen als ansatzweise freundlich bezeichnen kann, zitierst und daraus eine allgemeine tendenz konstruierst. ich denke nämlich nicht, dass deine these eine solche verfälschung nötig hat.
    lgmb

  8. Karin Koller schreibt:

    Danke, Elke, dass du den Kommentar weitergeleitet hast.
    Ich glaube nicht, Herrn Blumenaus These verfälscht zu haben. Titel und Header seines Artikels sind von ihm selbst folgendermaßen formuliert:
    „Journal 2012. Wo Stronach richtig liegt.
    Huhn und Korn: Frank Stronach zeigt die größte Schwäche des politischen Journalismus auf; weil er er ist, schaut aber keiner hin.“
    Aber ich will mich hier gar nicht rechtfertigen.

  9. Karin Koller schreibt:

    Interessante Auseinandersetzung mit Stronach von Tom Schaffer bei zurPolitik.com : http://zurpolitik.com/2012/10/02/warum-man-stronach-politisch-ernst-nehmen-muss/

  10. Friese schreibt:

    Frank Stronach war gestern im deutschen Fernsehen zu begutachten – altersgemäß bei Sanda Maischbergers Geriatrie-Talk.
    Der Mann hat ja so gar nichts drauf. Seine Rezepte sind derart simpel und so offensichtlich unbrauchbar, dass nicht einmal der durchschnittliche RTL2-Zuschauer darauf hereinfiele.
    Ich bin immer noch unschlüssig, ob es gut oder schlecht ist, dass es in Deutschland – und anscheinend auch in Österreich – keine Populisten vom intellektuellen Niveau eines Pim Fortuyns oder eines Geert Wilders gibt. Deren Thesen sind zumindest satisfaktionsfähig.
    Einzig Oskar Lafontaine verleiht dem Berufsstand etwas Glanz, allerdings bei einer Partei, bei der zu ihrem Leidwesen niemand ihre Mauer- und Stasi-Vergangenheit vergessen will (und sollte).

    Jammern und Wehklagen scheinen ja irgendwie zum österreichischen Wesen zu gehören, aber wenn Stronach in Österreich wirklich ernst genommen wird, dann scheinen die Kommentare hier doch nicht übertrieben zu sein.

    • Vergiss´nicht, dass Stronach im österreichischen Fernsehen nicht so zurückhaltend und stringent auftritt wie bei Frau Maischbergers Plapperrunde:

      http://tvthek.orf.at/programs/1279-Im-Zentrum

      • Friese schreibt:

        Vielen Dank für den Link. Seine Vorstellungen zur Reformierung des österreichischen Staats hat man hierzulande schon vor Jahren von der Statt-Partei in Hamburg vernommen. Die waren nach einer Legislaturperiode schon wieder verschwunden.
        Kabinette aus Fachleuten haben schon in der Weimarer Republik keine lange Lebenszeit gehabt. Aber es ist immerhin etwas Neues, dass darin ein Österreicher die Führung innehaben will und nicht nach ihnen 😉

      • Da hast du recht. Wir können nach den historischen Erfahrungen auch gerne darauf verzichten, dass Österreicher, die in ihrer Jugend ausgewandert sind und sich im Ausland einen Namen gemacht haben, zurückkehren, um bei uns die Macht zu übernehmen.

        Das Tragische ist nur, dass Herr Stronach von den in Österreich zur Auswahl und vor einem Wahlerfolg stehenden Nationalpopulisten (um es zurückhaltend auszudrücken) der weitaus Harmlosere ist, das mag als Zustandsbeschreibung der österreichischen Demokratie genügen.

  11. stephito schreibt:

    Andererseits, wie könnte ein hintergründiges Interview mit einem etwas altersstarrsinnigen Großverdiener, der nicht einmal über seine Steuerleistung sprechen will, und der das nordamerikanische Politikverständnis der Käuflichkeit sogenannter VolksvertreterInnen internalisiert hat, geführt werden, wenn es eben überhaupt keine Hintergründe gibt, sondern nur ein einigermaßen aufgeblähtes Größenselbst des Protagonisten?

    • Karin Koller schreibt:

      Ich würde dafür plädieren, keine Interviews mit Leuten, die sich nicht an die Grundregeln der Gesprächskultur halten, mehr zu machen. Ganz schlicht und einfach. Aber wie gesagt, die Medien machen Stronach groß, obwohl er im Grunde nicht mehr Bedeutung hat als andere Kleinparteien. Sie machen das, weil er billig publikumswirksame Sendezeit liefert, besonders beim Interview.

  12. stephito schreibt:

    ja, denn er entzieht sich dem ursächlichen Sinn eines Interviews.

  13. Pingback: Warum man Stronach politisch ernst nehmen muss - zurPolitik.com - zurPolitik.com

Hinterlasse einen Kommentar